Bericht zur Lage im Frühjahr 1945 in Ost-Holstein insbesondere der
Korpsgruppe von STOCKHAUSEN
Autor: Udo Ritgen (1945 Major i.G., *1916 Danzig ● †2010 Pullach)
Quelle: Deutsches Soldatenjahrbuch 1998 / 46. Deutscher Soldatenkalender,
Schild Verlag, 81249 München, Seite 87 – 94
Abschrift & Bearbeitung: UHF51 – Berlin – 2005
Die mit [?] versehenen Worte/Namen sind nicht 100%ig nachvollziehbar.
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Am 08.05.1945 entließ mich der O.B. »des AOK Westpreußen«,
General der Pz.Tr. Dietrich von SAUCKEN, aus seinem Befehlsbereich
mit der Maßgabe, zu versuchen, mit den Schiffen der Kriegsmarine von
Hela den Westen zu erreichen. Gemeint war mein 30-köpfiger Stab, dem
ich als »Chef der Seeleitstelle Hela« vom 01.04.1945 bis 08.5.1945,
als General v. SAUCKEN unmittelbar unterstellt war, vorstand. Die Verabschiedung
erfolgte am 08.05.1945 zwischen 15:00 und 16:00 Uhr im H.Q. des AOK unweit
von Heisternest (Hela) in Anwesenheit des Chef des Stabes, Generalmajor Robert MACHER.
Am 11.05.1945 vormittags erreichten wir auf dem Führerboot der 13.
leichten Flottille die Reede von Kiel – nach abenteuerlicher Fahrt
einschließlich Abwehr eines schweren Luftangriffs der Sowjets
zwischen 16:00 und 17:00 Uhr ostwärts von Bornholm. An dem Angriff
auf den nach Westen steuernden Konvoi nahmen ca. 25 IL18 Bomber [?] teil.
Die Ausladung an Land erfolgte am 13.05.1945 in Neustadt/Holstein.
Ein britischer Posten an der Pier nahm uns nur die Waffen ab. Alle
Offiziere wurden in der hanseatischen Yachtschule untergebracht.
Lagerstatt der Fußboden, ansonsten Kaltverpflegung, keinerlei
Orientierung über den Fortgang der Dinge.
Am 15.05.1945 vormittags telefonierte ein Offizier aus der Yachtschule
mit einem mir fremden »Auffangstab Jank«. Ich hing mich in das
Gespräch ein und sprach mit dem Ia des Stabes in Damlos, Major i.G.
Jürgen WITTMANN. Er fragte mich, ob ich bereit sei, an der Aufgabe,
erträgliche Verhältnisse für die jetzt in britischem Gewahrsam
stehenden Soldaten zu schaffen und mitzuarbeiten. Ich sagte sofort zu
und machte mich, nur auf Seitenwegen fahrend, auf den Weg nach
Damlos.
Am 16.05.1945 meldete ich mich bei dem Führer des Auffangstabes,
Generalleutnant Karl JANK. Anschließend wies mich sein Ia, Major
i.G. WITTMANN, in die mir zugedachte Aufgabe ein. Ich wurde Ia der
Division 816, Sitz Riepsdorf/b. Lensahn/Kr.Oldenburg (Holstein).
Am 16.05.1945 traf ich abends in Riepsdorf ein und fand dort einen im
Aufbau befindlichen Div.Stab vor. Der Führer war Oberst d.R. Ernst
RATZ, ehem. Rgts.Kdr. der 227 Inf.Div. Ich kannte ihn und seinen Stab
von den Kämpfen um die Ssinjawino-Höhen südlich des Ladoga-Sees
und von den schweren Abwehrkämpfen in der Tucheler-Heide bis hinauf
in den Raum Danzig – Gotenhafen.
Oberst RATZ, RK-Träger, erklärte mir, er vertraue mir voll und ganz, ich
könnte von nun an alle Maßnahmen treffen, die ich im Sinne des von
General JANK erteilten Auftrages für richtig halte, er bäte nur um
Unterrichtung und Orientierung. Für mich bedeutete diese Aussprache
eine mehr als zufriedenstellende Entwicklung in einer für uns alle
veränderten Welt.
Zum Auftrag gehörte im Divisionsgebiet mit den Gemeinden Riepsdorf,
Cismar, Kellenhusen, Dahme und Grube eine Übersicht über die
täglich wachsende Zahl der einströmenden Soldaten zu bekommen, ein
Mindestmaß an militärischer Ordnung herzustellen, die von den
Engländern aus Wehrmacht-beständen zugeführte äußerst knappe
Verpflegung gerecht zu verteilen, die Unterbringung der Soldaten in
geregelte Bahnen zu leiten, Voraussetzungen für eine nach
Berufsständen zu erwartende Entlassungsaktion vorzubereiten und auf
jeden Fall Übergriffe gegenüber der durch die hohe Anzahl der
Soldaten auch in Bedrängnis geratene Zivilbevölkerung zu
verhindern.
Eine wichtige Voraussetzung für all diese Aufgaben war die Herstellung
einer hierarchischen, allen Soldaten und der Zivilbevölkerung
vertrauten militärischen Struktur. Folgerichtig wurde aufgebaut:
–
ein leistungsfähiger Divisionsstab in Riepsdorf (Schulgebäude)
–
ein Regimentsstab in Cismar, der neben deutschen Soldaten noch ca. 1.000
polnische unter Führung eines polnischen Offiziers zu führen hatte
–
ein Regimentsstab in Kellenhusen
–
ein Regimentsstab in Dahme
–
ein Regimentsstab in Grube, der neben deutschen Soldaten noch ca. 700
rumänische zu führen hatte
–
ein Regimentsstab in Schwienkuhl, westlich Riepsdorf dem etwa 800 Ungarn
unter Führung eines ungarischen Majors unterstanden.
[Fortsetzung geplant]